Kritische Fragen an Bundesrat Rösti

Kritische Fragen an Bundesrat Rösti

Ende Mai fand die Delegiertenversammlung 2025 von transfair statt. Der Eröffnungsgast war ein ganz besonderer: Bundesrat Albert Rösti. Er sprach über aktuelle Geschäfte in den transfair-Branchen und stellte sich kritischen Fragen.

Sarah Hadorn Sarah Hadorn
Bundesrat Rösti und Greta Gysin stehen sich gegenüber und diskutieren über die kritischen Fragen

Gemächlich fliesst die Aare an den Fenstern der Cinématte vorbei. Im Innern des Berner Restaurants und Kinos hingegen: spannungsgeladene Erwartung. Bundesrat Albert Rösti betritt die Bühne. «Ich habe mich gefreut, hierher zu kommen, wohlwissend, dass die Sozialpartnerschaft in der Schweiz eine sehr hohe Bedeutung hat», eröffnet der Chef des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) die transfair-Delegiertenversammlung 2025. Dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber miteinander diskutierten und Kompromisse fänden, sei eine wichtige Eigenschaft unseres Landes.

«Ich bin jeden Tag dankbar für all die Mitarbeitenden, die enorme Leistungen erbringen, sei das bei einer Post oder SBB», führt Rösti an diesem Freitagmorgen weiter aus. Sie seien die Basis dafür, dass unser Land funktioniert. Die Infrastrukturleistungen der Schweiz liefen reibungslos, sogar ausgezeichnet, und würden durch transfair und seine Mitglieder entscheidend mitgetragen. «Danke für die hervorragende Grundversorgung», wendet sich der Bundesrat direkt an die rund 60 Mitglieder im Saal.

Marktöffnung und Fusion auf Kurs

Rösti ist zunächst auch positiv, als er auf einige aktuelle Geschäfte in den transfair-Branchen eingeht. So seien etwa gute Vorkehrungen getroffen worden, um negative Folgen der Öffnung im internationalen Bahnfernverkehr für die Mitarbeitenden zu verhindern. Auf Druck von transfair arbeitet das Bundesamt für Verkehr zum Beispiel aktuell eine Weisung aus. Danach müssen ausländische Anbieter bei einem Ja zu den Bilateralen III hiesige Arbeits- und Lohnstandards einhalten, um eine Konzession zu erhalten.

Auch die Swisscom-Fusion mit Vodafone Italia sieht Rösti auf Kurs: «Die ersten Zahlen entsprechen dem Businessplan.» Der Bundesrat begleite den Prozess aber kritisch und habe den Rahmen für den Fall gesetzt, dass Vodafone abgestossen werden müsse.

Herausforderungen bei Post, Güterverkehr und Verwaltung

Weniger optimistisch ist Rösti bei der Post. Sie sei angesichts schrumpfender Brief- und Zahlungsvolumen «eines der herausforderndsten Dossiers».

Und auch beim Güterverkehr sieht der Verkehrsminister Probleme: Zwar helfe das neue Gütertransportgesetz, SBB-Defizite zu mildern – doch der aktuelle Stellenabbau bei SBB Cargo sei «bedauerlich».

Der Bundesrat will schon zum Ende kommen, da unterbricht transfair-Präsidentin Greta Gysin: «Wir haben noch eine vierte Branche!» Den «Elefanten im Raum» – das Mega-Sparprogramm des Bundes, das das Personal der öffentlichen Verwaltung hart trifft – habe er geflissentlich weggelassen, sagt Rösti daraufhin etwas scherzhaft. Um fair zu sein: Die Bundesverwaltung wird als einzige transfair-Branche nicht strategisch vom UVEK betreut. Trotzdem gibt Rösti einen Kommentar ab: Ziel sei es, die Schuldenbremse einzuhalten, und leider sei das Bundespersonal nicht nur Leistungsträger, sondern eben auch ein «Kostenblock».

Kritische Fragen zum Sparpaket und zu Swisscom

All das lässt transfair natürlich nicht einfach unkommentiert. Unsere Branchenleitenden nutzen die Gelegenheit, um dem Bundesrat kritische Fragen zu stellen. Hier ein Auszug aus der Fragerunde:

Matthias Humbel, Branchenleiter öffentliche Verwaltung:

Das neue Lohnsystem des Bundes wurde ohne Verhandlungen mit den Sozialpartnern eingeführt. Und auch beim Entlastungspaket sehen wir geringe Bereitschaft des Eidgenössischen Personalamts (EPA), die Verbände einzubeziehen. Wird die Diskussion mit den Sozialpartnern wirklich auf Augenhöhe geführt?

Bundesrat Rösti (sinngemäss): Zumindest höre ich vom EPA, dass das so ist. Und Sie dürfen ja auch für sich beanspruchen, mit Ihrem Einsatz bei der Haushaltssanierung einiges für das Personal erreicht zu haben.

Bruno Zeller, Branchenleiter öffentlicher Verkehr:

Unsere Mitglieder, die im Schienengüterverkehr arbeiten, haben aktuell eine schwierige Situation. Welche Zukunftsperspektiven gibt es für sie?

Bundesrat Rösti (sinngemäss): Wir wollen die Situation ab dem nächsten Jahr mit einer Leistungsvereinbarung mit der SBB lösen. Dabei braucht es neben Subventionen auch Preiserhöhungen und Kostensenkungen.

Kerstin Büchel, Leiterin Branche Post/Logistik:

Welche Überlegungen macht sich der Bundesrat zur Zukunft der Post, insbesondere von PostNetz?

Bundesrat Rösti (sinngemäss): Der Bundesrat will postalische Dienstleistungen so lange erbringen lassen, wie sie nachgefragt werden. Nur drei Mal die Woche Post ist für uns kein gangbarer Weg. Wenn es aber Dienstleistungen gibt, die nicht mehr nachgefragt werden, kommen wir nicht umhin, dort Kosten zu reduzieren – zum Beispiel bei den Poststellen.

Marika Schaeren, Branchenleiterin ICT:

Wie stehen Sie dazu, dass Swisscom Arbeitsplätze ins Ausland auslagert? Und sind Sie sich bewusst, dass kritische Infrastrukturen zunehmend aus dem Ausland betrieben und sensible Informationen dorthin ausgelagert werden, was den gesetzlichen Vorgaben der Schweiz zuwiderläuft? 

Bundesrat Rösti (sinngemäss): Wir sind uns bewusst, dass Auslagerungen ins Ausland stattfinden, das ist tatsächlich eine Kostenfrage. Solange die regulatorischen Vorgaben erfüllt sind, greifen wir nicht ins operative Geschäft der Swisscom ein. Und wir haben keine Kenntnis darüber, dass regulatorische Vorgaben nicht erfüllt werden. Ansonsten müsste der Bundesrat klar mit Swisscom sprechen.

Das könnte noch lange so weitergehen – transfair hätte noch einige kritische Nachfragen an Bundesrat Rösti. Doch die Zeit drängt zum statuarischen Teil der Delegiertenversammlung. Dieser fliesst ähnlich ruhig dahin wie die Aare.