Fahrassistenz im Test

Öffentlicher Verkehr

Fahrassistenz im Test

Bis Winter 2026 testet die Schweizerische Südostbahn (SOB) Züge mit automatischem Fahrassistenz-System. Andrea Schleutermann leitet bei transfair die Fachgruppe Lokpersonal. Im Interview erklärt sie, wie das SOB-System funktioniert und warum es nach wie vor eine Lokführerin oder einen Lokführer braucht.

Bruno Zeller
Ein Bild von einem SOB Zug der den Gleisen über eine Wiese folgt

Andrea, wie funktioniert das Fahrassistenz-System der Südostbahn (SOB)?

Der Name sagt es bereits: Das System assistiert dem Lokführer. Der Sicherheits-Check vor der Abfahrt funktioniert nach wie vor manuell: Die Lokführerin kontrolliert, ob die Türen verriegelt sind und die Signale auf Grün stehen. Danach kann das Fahrassistenz-System aktiv eingeschaltet werden. Dieses fährt ab und hält am programmierten Ziel. Das Lokpersonal überwacht und kontrolliert die Prozesse und kann jederzeit eingreifen. 

Das System fährt also nicht autonom – Lokführerinnen und Lokführer sind weiterhin nötig.

Ja, je nachdem auch bei schlechtem Wetter oder starkem Gefälle. Und natürlich bei Zwischenfällen oder Störungen des Systems.

Wenn es nicht um die Abschaffung des Lokpersonals geht: Was verspricht sich die SOB von einer automatischen Fahrassistenz?

Das System kann etwa besser als die menschliche Fahrdienstleitung berechnen, wie Züge auf einspurigen Strecken fahren sollen, ohne dass Wartezeiten entstehen. Zudem spart es vor allem beim Anfahren und Bremsen Energie. Würde die SOB das System irgendwann breit einführen, könnte sie den Energieverbrauch senken und den Fahrplan optimieren. Für den Moment geht es aber vor allem darum, neue Erfahrungen zu sammeln. 

Trotzdem haben viele Lokführerinnen und Lokführer Vorbehalte gegen das SOB-System. Warum?

Durch solche Anwendungen verändert sich der Lokführer-Beruf: Überwachen tritt in den Vordergrund, Fahren in den Hintergrund. Die Arbeit wird womöglich weniger interessant. Dies kann sich negativ auf die Konzentration auswirken.

Automatisierung: Den Menschen ins Zentrum stellen

Das Fahrassistenz-System der SOB ist bei Weitem nicht das einzige Automatisierungsprojekt im öffentlichen Verkehr. Andere Vorhaben zielen darauf ab, Züge automatisiert in Abstell- oder Unterhaltsanlagen fahren zu lassen, Loks mit Kameras und Sensoren zur Hinderniserkennung auszustatten oder autonome Busse und Taxis zu testen. Die Technik schreitet voran. Wie können aber die Menschen am besten in solche Veränderungen einbezogen werden? Die Antwort: mit «Human and Organisational Factors» (HOF) als Teil der Unternehmenskultur.

Ein optimales Zusammenspiel in Change-Prozessen

Die SOB etwa erhebt in ihrem Pilotprojekt auch viele Daten beim Lokpersonal: Blickrichtungen, Puls, Hautwiderstand. Dadurch wird der Stress bei der Anwendung des Fahrassistenz-Systems gemessen. Der «Human Factor» wird bewusst berücksichtigt.

transfair ist überzeugt: Damit Veränderungs- und Entwicklungsprozesse gelingen, braucht es ein optimales Zusammenspiel von Mensch, Technik und Organisation. Hierzu empfehlen wir den Leitfaden und die Leitsätze des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV).