Tanja, 2023 hattest du einen schlimmen Schicksalsschlag. Dieser hat dazu geführt, dass du die Geschäftsführung von transfair übergeben hast. Magst du erzählen?
Ich hatte einen schweren Hirnschlag. Dadurch erlitt ich eine Schwächung meiner linken Körperseite – ich nahm Objekte und Bewegungen links von mir kaum noch wahr – und musste wieder in normaler Geschwindigkeit sprechen lernen. Das war eine sehr schwere Zeit. Mittlerweile bin ich aber zum Glück wieder gesund.
Darüber sind wir sehr froh. Lass uns zusammen auf die letzten 15 Jahre zurückblicken – in dieser Zeit warst du Kopf und Herz von transfair. Was waren deine prägendsten Erlebnisse?
Etwas vom Tollsten, bei dem ich von Anfang an dabei sein konnte, war die Vaterschaftsurlaub-Initiative. Das Sammeln der Unterschriften war super motivierend, denn alle haben unterschrieben: die Mutter, der alleinstehende Mann, die Bankerin, der Handwerker. Was mich ausserdem immer extrem freute: Wenn ich E-Mails bekam, in denen meine Mitarbeitenden gelobt wurden, zum Beispiel für die hervorragende Betreuung bei einem arbeitsrechtlichen Problem.
Welche Momente waren schwierig?
Durchgehend herausfordernd waren die Finanzen. Umso wichtiger, manchmal aber auch zermürbend, war der ständige Kampf um neue Mitglieder. Was mich zudem oft belastete, war die Konkurrenz unter den Gewerkschaften selbst. Ich habe nie verstanden, warum man sich gegenseitig Steine in den Weg legt, anstatt einander zu unterstützen. Schliesslich kämpfen wir ja alle für die gleiche Sache, auch wenn wir vielleicht andere Wege wählen.
Welchen Weg hat transfair in den letzten 15 Jahren gewählt?
Wir haben unseren Sozialpartnern immer gut zugehört und waren darauf aus, Lösungen zugunsten der Arbeitnehmenden, aber auch der Unternehmen zu finden. Es nützt niemandem etwas, wenn die Arbeitsbedingungen zwar top sind, es das Unternehmen aber irgendwann nicht mehr gibt. Für diesen ganzheitlichen Ansatz steht transfair auch heute noch – er ist quasi die DNA des Verbands.
Wie hat sich transfair während deiner Amtszeit verändert?
Vor allem haben wir mehr Personal in den Regionen rekrutiert. Nahe an den Mitgliedern zu sein, ist für eine Gewerkschaft das A und O. Zudem haben wir das Marketing und die Kommunikation professionalisiert. Was mich sehr freut: dass transfair neu eine Social-Media-Spezialistin hat. Die Gewinnung junger Mitglieder ist für transfair überlebenswichtig – aber auch eine grosse Herausforderung. Wenn ich Jugendliche bei Werbeaktionen jeweils gefragt habe, ob sie wüssten, was eine Gewerkschaft ist, kam da oft ein Schulterzucken.
Mit welchem Führungsstil hast du es geschafft, dass sich transfair in die richtige Richtung entwickelt?
Ich habe den Mitarbeitenden viel Verantwortung übergeben – mit den dazugehörigen Kompetenzen. Denn wenn jemand zum Beispiel Projektverantwortung hat, aber keine Entscheidungen treffen darf, ist das nicht nur frustrierend für die betreffende Person, es ist auch ineffizient. Zudem habe ich meinen Mitarbeitenden ein grosses Mitspracherecht gewährt. Das war allerdings nicht immer leicht.