Sicherheit – bei Swisscom und in der Schweiz
Versicherungen, Back-ups, Passwörter – in unserer (Arbeits-)Welt beschäftigt uns Sicherheit ständig. Im Interview beleuchten zwei Experten das Thema aus zwei ganz unterschiedlichen Blickwinkeln: Marcus Beyer, Security Awareness Officer bei Swisscom, erklärt, warum Sicherheit in Unternehmen bei den Mitarbeitenden anfängt. Und Tibor Szvircsev Tresch von der Militärakademie an der ETH Zürich sagt, wie sicher sich die Schweizerinnen und Schweizer fühlen.
Sarah Hadorn
Herr Szvircsev Tresch, ganz persönlich: Was heisst für Sie Sicherheit?
Tibor Szvircsev Tresch: Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Sicherheit: die objektive Sicherheit, die etwa durch Kriminalitätsstatistiken messbar ist, und die subjektive Sicherheit. Diese sagt aus, wie sicher ich mich nach eigenem Empfinden fühle. Persönlich ist für mich vor allem die subjektive Sicherheit entscheidend. Ich wohne zum Beispiel im Zürcher Kreis 4 nahe der Langstrasse. Wenn ich um zwei Uhr früh nach Hause gehe, fühle ich mich sicher. Der Grund: Ich wohne schon seit 20 Jahren dort. Subjektive Sicherheit hat also stark damit zu tun, ob ich ein Umfeld oder eine Situation kenne.
Herr Beyer, wie gehen Sie mit Unsicherheiten um?
Marcus Beyer: Ich akzeptiere Unsicherheiten und lasse ihnen Raum – das ist für mich das Wichtigste. Das heisst aber nicht, dass ich mich davon vereinnahmen und leiten lasse. Ich versuche einfach, Unsicherheit als Teil des Lebens zu nehmen. Wenn ich bei etwas unsicher bin, hole ich mir Unterstützung. Suche ich zum Beispiel an einem fremden Ort nach dem Weg, frage ich Leute oder eben Google Maps.
Was bedeutet für Sie beide in der heutigen Arbeitswelt Sicherheit?
Szvircsev Tresch: Als Erstes denke ich da an Arbeitsplatzsicherheit. Aber auch Cyber- und physische Sicherheit sind speziell im militärischen Umfeld zentral. Bei uns an der Militärakademie in Birmensdorf wurden eine Zeit lang am 1. Mai zum Beispiel die Fensterläden geschlossen, weil die Krawall-Gefahr gross war. Was aber genauso wichtig ist, um sich am Arbeitsplatz sicher zu fühlen: Die zugewiesenen Aufgaben müssen erfüllbar sein und die Kolleginnen und Kollegen müssen am gleichen Strick ziehen.
Beyer: Dieser letzte Punkt ist für mich absolut zentral, denn er zahlt in psychologische Sicherheit ein – für mich der Grundstein für jede andere Art von Sicherheit. Nur wenn sich Mitarbeitende im Unternehmen und in ihrem Team sicher genug fühlen, um ihre Meinung zu sagen und Kritik zu äussern, können etwa Cyberrisiken minimiert werden. Ich ermutige Mitarbeitende auch immer, Fehler zu melden: wenn sie auf den falschen Link geklickt haben, ihren Laptop im Zug vergessen oder ein Geheimnis ausgeplaudert haben. Wir brauchen diese Informationen, um handeln zu können.
Sie sind Security Awareness Officer bei Swisscom. Was tun Sie genau?
Beyer: Meine Aufgabe ist es, eine Sicherheitskultur aufzubauen, in der die Leute fit für den Ernstfall, aber auch resilient sind. Ziel ist, dass sie mit Risiken umgehen können und in Krisen richtig handeln. Dafür zeigen wir ihnen etwa, wie man mit einem Defibrillator umgeht oder Phishing-Mails erkennt. Wir sprechen aber auch über konkrete abgewehrte Cyberattacken, um das Bewusstsein zu schärfen.
Ich habe gelesen: Pro Monat wehrt Swisscom durchschnittlich 173 Millionen Cyber-Angriffsversuche ab.
Beyer: Ja, wobei ich die Zahl etwas relativieren muss: Dazu zählen auch alle Scans, die versuchen, an Informationen über die Swisscom-Infrastruktur zu kommen. Diese Scans können auch harmlos sein. Sicher ist aber: Pro Monat wehren wir knapp 3500 sogenannte DDoS (Distributed Denial-of-Service)-Attacken ab. Dabei jagen Hacker unzählige Rechner auf eine Website los, um diese lahmzulegen. Zum Glück war das bei Swisscom schon sehr lange nicht mehr erfolgreich. Das schreibe ich unserem ausgeklügelten Sicherheitskonzept zu: sensibilisierte Leute im ganzen Betrieb, State-of-the-Art-Technologie und kompetente Fachleute am richtigen Ort. Allein 600 Mitarbeitende kümmern sich um die Cybersicherheit des Unternehmens. Schliesslich betreibt Swisscom eine kritische Infrastruktur.
„„Meine Aufgabe ist es, eine Sicherheitskultur aufzubauen, in der die Leute fit für den Ernstfall, aber auch resilient sind. “
„„Das Sicherheitsgefühl ist seit 30 Jahren sehr hoch: Rund 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung fühlen sich sicher.“
Herr Szvircsev Tresch, schauen wir über Swisscom hinaus auf die ganze Schweiz: Sie sind Herausgeber der jährlichen Sicherheitsstudie der Militärakademie und des Centers for Security Studies an der ETH Zürich. Wie sicher fühlen sich die Schweizerinnen und Schweizer?
Szvircsev Tresch: Das Sicherheitsgefühl ist seit 30 Jahren sehr hoch: Rund 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung fühlen sich sicher, mit kleineren Schwankungen. Aber: 2025 hat sich das Sicherheitsgefühl erstmals signifikant verschlechtert. Die vielen Krisen – der Ukrainekrieg, Gaza, der «Trump-Effekt» – haben Spuren hinterlassen.
2025 forderte eine knappe Mehrheit der Bevölkerung auch eine Annäherung an die Nato – zum dritten Mal in Folge.
Szvircsev Tresch: Das ist richtig. Diese Entwicklung haben wir uns genauer angeschaut. Das Ergebnis: Immer, wenn es nahe Europa Konflikte gab, wurde der Ruf nach einer Nato-Annäherung lauter. Kaum waren die Konflikte – etwa die Kosovo-Krise 1999 – zu Ende, verhallte die Forderung aber auch wieder. Als Sozialwissenschaftler erkläre ich mir das mit der Kurzfristigkeit des menschlichen Denkens, das uns Menschen so schön widerstandsfähig macht. Man könnte aber auch sagen: Wir verdrängen ganz schön viel.
Wie wirkt sich ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis auf gesellschaftliche Institutionen – zum Beispiel die öffentliche Verwaltung – aus?
Szvircsev Tresch: Letztes Jahr haben wir erstmals erhoben, wie gross das Vertrauen der Schweizer Bevölkerung in die öffentliche Verwaltung ist. 2025 hatte sie einen Vertrauenswert von 6,8 – der höchstmögliche Wert ist 10. Von insgesamt elf Institutionen lag die öffentliche Verwaltung auf Platz 5. Unsere Schlussfolgerung: Die öffentliche Verwaltung wird vom aktuellen Geschehen nicht gross beeinflusst. Macht sie ihre Arbeit gut, haben die Leute auch Vertrauen.
Das Vertrauen in den Bundesrat ist hingegen stark gesunken. Wie erklären Sie sich das?
Szvircsev Tresch: Sinkendes Vertrauen in politische Institutionen ist immer ein Indiz für Unsicherheit in der Bevölkerung. Die Zeiten haben sich aber auch geändert: Früher waren Parlamentarierinnen und Bundesräte Ehrfurchtsfiguren. Heute haben wir eine starke Konsum- und Instant-Gesellschaft. Die verbreitete Haltung: Der Staat muss sich um uns kümmern – und soll seine Arbeit gefälligst richtig machen.
Zu den Personen
Marcus Beyer ist Security Awareness Officer bei Swisscom und bringt seinen eigenen Podcast «Security Awareness Insider» heraus.
Tibor Szvircsev Tresch ist Dozent für Militärsoziologie an der Militärakademie an der ETH Zürich. Zudem gibt er die jährliche Studie «Sicherheit – Aussen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitische Meinungsbildung im Trend» heraus. Dazu werden jeweils im Januar zirka 2000 Personen aus der Schweizer Stimmbevölkerung befragt.