Rückblick auf die Sommersession 2022

Rückblick auf die Sommersession 2022

Im Mittelpunkt der parlamentarischen Sommersession stand der Service Public. transfair begrüsst den Ständeratsbeschluss, nicht auf den Teilrevisionsentwurf des Postorganisationsgesetzes einzutreten und sich dementsprechend gegen eine Privatisierung von PostFinance auszusprechen. Der Personalverband freut sich, dass der Nationalrat für den Bund kein Aufgaben- und Ausgabenmoratorium will und sich für eine finanzielle Unterstützung der SBB ausspricht, um die Defizite in Verbindung mit der Covid-19-Krise zu kompensieren. In der IT-Branche hat die transfair-Co-Präsidentin und Nationalrätin Greta Gysin eine Interpellation zur Talentknappheit eingereicht.

Albane Bochatay

ICT-Fachkräftemangel: transfair reicht Interpellation ein

Am 5. April 2022 führte transfair den transfair talk 2022 durch und versammelte dabei Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Personalverbände und Menschen in Ausbildung, um die Talentknappheit im ICT-Sektor zu erörtern. Mit einer Interpellation lässt Greta Gysin, Co-Präsidentin von transfair und Nationalrätin, den Worten Taten folgen und verlangt vom Bundesrat Auskunft über die getroffenen Massnahmen, um diesem Mangel entgegenzuwirken. Damit die Arbeitsplätze in der Schweiz erhalten bleiben, müssen die Rahmenbedingungen für die Rekrutierung von Talenten nach Ansicht von transfair optimiert werden. Die Bildungsniveaus sind neu zu überdenken, um die Lehrgänge an die Bedürfnisse der Lernenden anzupassen und die Attraktivität der ICT-Berufe insbesondere bei den Frauen zu erhöhen.

Teilrevision des Postorganisationsgesetzes

Die Revision sieht für PostFinance einerseits die Möglichkeit, selbstständig Kredite und Hypothekardarlehen zu vergeben, und andererseits ihre Privatisierung und somit eine Trennung von der Post-Gruppe vor. transfair hatte sich wiederholt für eine Öffnung des Kredit- und Hypothekarmarktes für PostFinance, aber gegen eine Privatisierung ausgesprochen. Die Folgen einer Privatisierung wären gefährlich für die Arbeitsbedingungen des Personals und für das Postnetz, das dadurch mit Finanzierungsproblemen konfrontiert wäre. transfair ist mit dem Ständeratsbeschluss zufrieden. Das Geschäft geht nun an den Nationalrat.

Aufgaben- & Ausgabenmoratorium während fünf Jahren

Mit der Motion 20.3567 wird der Bundesrat beauftragt, der Bundesversammlung keine Entlassentwürfe zu unterbreiten, die dem Bund und den Kantonen neue Aufgaben übertragen und neue Ausgaben oder eine Erhöhung bisheriger Ausgabenposten schaffen, die einen Teuerungsausgleich überschreiten. Die Vorgaben der Schuldenbremse zwingen den Bundesrat zu einer zurückhaltenden Ausgabenpolitik. Daher ist er bereits zu einer Priorisierung von Aufgaben und Ausgaben gezwungen. Um die Ziele der Motion zu erreichen, wären wesentliche Ausgabenkürzungen erforderlich, und dies könnte sich negativ auf das Bundespersonal auswirken. transfair freut sich, dass der Nationalrat diese Motion abgelehnt und abgeschrieben hat.

transfair begrüsst auch, dass die Motion Burgherr 20.3861 «Solidarität von allen statt Steuergelder für wenige» im Nationalrat zurückgezogen wurde. Sie wurde im Juni 2022 deponiert und beantragte eine Kürzung der Löhne der Bundesangestellten um mindestens 5 Prozent ab einem Jahreslohn von 100'000 CHF für die nächsten 2 Jahre. Das Bundespersonal hat während der Covid-19-Krise einen ausserordentlichen Beitrag geleistet und eine solche Kürzung würde diesen Einsatz nicht Rücksicht nehmen. Ein weiteres für das Bundespersonal gefährliche Geschäft wurde in der grossen Kammer abgelehnt: Die Motion Burgherr 20.4157 «Moderne Leistungsbeurteilung in der Bundesverwaltung». transfair freut sich über dieses Resultat. Der Antrag der Motion wurde schon im Rahmen des Postulats 19.3974 in einem umfassenderen Kontext behandelt.

Finanzhaushaltgesetz - Abbau der coronabedingten Verschuldung

Aufgrund der ausserordentlichen Auslagen in Verbindung mit Covid-19 dürfte sich die Verschuldung des Bundes bis Ende 2022 auf 25 bis 30 Milliarden CHF belaufen. Der Bundesrat will weder Entlastungsprogramme noch Steuererhöhungen. Er beantragt eine Erstreckung der Amortisationsfrist bis 2035. Der Nationalrat möchte die Hälfte davon mit dem Ausgleichskonto für den ordentlichen Haushalt verrechnen, auf dem Ende 2021 ein Saldo von 23,5 Milliarden CHF aufgeführt war. Die Frist für den Ausgleich des gesamten Fehlbetrages würde dadurch auf 2031 verkürzt. Für transfair ist es gerechtfertigt, diese Überschüsse in Krisenzeiten zu verwenden. Man könnte sogar das ganze Ausgleichskonto verwenden, um fast den gesamten Fehlbetrag abzubauen. Das Geschäft geht an den Ständerat.

Finanzielle Unterstützung der SBB

Die Motion beauftragt den Bundesrat, einen Gesetzesentwurf zu unterbreiten, der vorsieht, dass die durch die Covid-19-Pandemie verursachten Defizite der SBB als ausserordentlich gelten und der SBB Finanzhilfen gewährt werden. Damit soll die planmässige Durchführung der Investitionen gemäss den Beschlüssen des Parlaments sichergestellt werden. Die SBB weist für 2021 ein Defizit von 325 Millionen CHF aus, die Nachfrage nach öffentlichem Verkehr lag fast ein Drittel unter derjenigen von 2019. 2020 betrug das Defizit der SBB 617 Millionen CHF. Die wirtschaftliche Stabilität der SBB ist für die Verkehrspolitik von grosser Bedeutung. Bei der Gewährung von ausserordentlicher Finanzhilfe an die SBB hat der Bund die Verluste im Fernverkehr bisher nicht berücksichtigt. Um Sparmassnahmen zu vermeiden, sind die von der SBB geplanten Investitionen langfristig zu gewährleisten. Der Nationalrat hat die Motion angenommen und transfair begrüsst diesen Beschluss.

Änderung des Personenbeförderungsgesetzes

Die Änderung des PBG strebt die Stärkung des öffentlichen Verkehrs an. Sie regelt den Betrieb einer gemeinsamen digitalen Vertriebsinfrastruktur für den öffentlichen Verkehr (öV), wie sie mit NOVA bereits besteht. Für transfair ist es unerlässlich, dass die Rahmenbedingungen, um diese Plattform für Dritte zu öffnen, von der öV-Branche festgesetzt werden. Andernfalls hätte dies negative Auswirkungen auf das Personal der Branche und den Verkaufssektor. Der Entwurf regelt auch die Gewinnverwendung durch die subventionierten Regionalverkehrsbetriebe. Der Ständerat wollte eine Zuweisung in drei Dritteln: ein Drittel an eine Spezialreserve, ein Drittel an den Besteller zur Abgeltung des Folgejahres und ein Drittel zur selbstständigen Entscheidung durch das Unternehmen. Der Nationalrat will ein anderes Modell: Zwei Drittel der Überschüsse sollen der Spezialreserve zur Deckung von zukünftigen Fehlbeträgen zugewiesen werden. Das Unternehmen kann über den restlichen Überschuss frei verfügen. transfair begrüsst die Version des Nationalrats. Das Geschäft geht zurück an den Ständerat.