Immer mehr Stress im Service Public

Immer mehr Stress im Service Public

Arbeitsbedingter Stress macht auch vor dem Service Public keinen Halt: Ständige Reorganisationen, 24/7-Verfügbarkeiten im Homeoffice, ein zunehmender Fachkräftemangel sowie Sparmassnahmen führen bei den Arbeitnehmenden zu grossen Unsicherheiten und einer zunehmenden Arbeitslast. Zusätzlich werden aufgrund der schnell voranschreitenden Digitalisierung ständig neue Fähigkeiten vorausgesetzt: Der Druck auf die Arbeitnehmenden ist gross und nimmt zu. Gemeinsam mit Travail.Suisse – dem Dachverband von transfair – hat der Personalverband an der heutigen Medienkonferenz auf den sich verändernden Stress in der Arbeitswelt aufmerksam gemacht.

Olivia Stuber

In Kürze

  • Der Faktor Stress ist auch im Service Public allgegenwärtig.
  • Reorganisationen, Sparmassnahmen, der Fachkräftemangel und eine ständige Verfügbarkeit im Homeoffice sind die grössten Stressfaktoren.
  • transfair setzt auf den Dialog und eine starke Sozialpartnerschaft, um Stressfaktoren zu eliminieren oder minimieren.

Der Service Public mit falschem Bild in der Öffentlichkeit

In wohl vielen Köpfen ist noch das alte Bild eines trägen, unproduktiven und bürokratischen öffentlichen Sektors vorhanden. Die Realität sieht aber ganz anders aus: Das Thema Stress ist im Service Public allgegenwärtig, auch wenn der öffentliche Sektor – gerade dank den guten Sozialpartnerschaften - teils beispielhaft voran geht.

Die vielschichten Ursachen des Stresses

Reorganisationen – oder wenn kein Stein auf dem anderen bleibt

Ein Stressfaktor ist eines der Dauerthemen im Service Public schlechthin – die Reogranisationen. Alle Branchen von transfair sind davon betroffen. Überall wird dauernd oder in regelmässigen Abständen reorganisiert; dies mit dem Ziel effizienter und effektiver zu werden. Für die Mitarbeitenden verkörpern Reorganisationen aber grosse Unsicherheiten. Unsicherheiten darüber, ob die eigene Stelle weiter bestehen oder abgebaut wird, ob die bisherige Funktion weiter ausgeübt werden kann und inwiefern sich die Arbeitsbedingungen dadurch verändern werden. Reorganisationen sind dabei nicht nur für das betroffene Personal ein Stressfaktor, sondern auch für das Personal, das diese umsetzen muss. Oft wird das HR oder auch der Rechtsdienst mit zahlreichen Fragen überhäuft und diverse Situationen fordern Klärungsbedarf. Reorganisationen sind daher doppelte Stressfaktoren für das Personal.

Wenn Sparen zum Stress wird

Gespart wird momentan überall im öffentlichen Sektor. Der Bund spart aufgrund seiner strukturellen Defizite, die SBB spart, um ihre Schulden zu reduzieren, die Post und Swisscom aufgrund teils schwindender Verkaufszahlen. Der Spardruck hat im öffentlichen Sektor oft direkt personelle Auswirkungen. Stellen werden entweder nicht neu besetzt oder gar abgebaut. Beides führt bei den Arbeitnehmenden zu extremem Stress. Wird eine Stelle nicht neu besetzt, erhöht dies die Arbeitslast für die übrigen Mitarbeitenden, die mehr Aufgaben unter sonst gleichbleibenden Bedingungen übernehmen müssen. Wissen Mitarbeitende, dass Stellen abgebaut werden, müssen sie um ihre Stelle fürchten.

Der Fachkräftemangel und die Digitalisierung als Katalysatoren

Verschlimmert wird die Situation durch den Fachkräftemangel. Selbst wenn Stellen neu besetzt werden könnten, ist dies teils aufgrund fehlender Fachkräfte schlicht nicht möglich. Insbesondere die ICT-Branche ist davon stark betroffen, generell betrifft dies jedoch alle Branchen des Service Public, da die IT aus keinem Berufszweig mehr wegzudenken ist.

Auch die immer schneller voranschreitende Digitalisierung führt zu Stress bei den Arbeitnehmenden. Sie zwingt die Mitarbeitenden sich ständig an neue Anforderungen anzupassen und ihre «Skills» durch (Um-)Schulungen aktuell zu halten. Diese Herausforderungen sind besonders in der ICT-Branche präsent, finden sich aber auch stark im öffentlichen Verkehr und allen anderen Branchen. Viele Mitarbeitenden können mit diesem ständigen Druck und dem Gefühl «nicht mehr genug zu sein» nur schwer leben, weshalb sie sich entweder entschliessen das Unternehmen zu verlassen oder den Sprung effektiv nicht schaffen und schliesslich vom Unternehmen entlassen werden. So werden teils jahrelang treue Mitarbeitende gezwungen, eine neue Stelle zu suchen.

Die Kehrseite des Homeoffice

Eine weitere Stressquelle resultiert durch unklare Homeoffice-Regelungen. Seit der Covid19-Pandemie ist Homeoffice aus vielen Arbeitsalltagen im Service Public nicht mehr wegzudenken. Homeoffice bietet zahlreiche Chancen, wie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, mehr Zeit durch den Wegfall des Arbeitswegs oder mehr Flexibilität. Es birgt jedoch auch einige Risiken, die bei den Arbeitnehmenden zu Stress führen können. Wird von zuhause gearbeitet, wird eine ständige Erreichbarkeit vorausgesetzt. Zudem verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Privatem immer mehr, was ein Abschalten erschwert.

„„transfair setzt sich mit aller Kraft dafür ein, dass die Mitarbeitenden im Service Public weniger Stresssituationen ausgesetzt sind.

Olivia Stuber, Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Mögliche Lösungen in der Sozialpartnerschaft finden

Der Stress ist omnipräsent. transfair setzt sich mit aller Kraft dafür ein, dass die Mitarbeitenden im Service Public weniger Stresssituationen ausgesetzt sind. Gegen die Risiken des Homeoffice geht transfair beispielsweise politisch vor: gemeinsam mit seiner Präsidentin und Nationalrätin, Greta Gysin, hatte der Personalverband eine Motion eingereicht. Diese beabsichtigte, das Arbeitsgesetz mit dem Recht zu ergänzen, während der Freizeit für den Arbeitgeber nicht erreichbar zu sein. Zusätzlich konnte transfair dieses Recht auf Nicht-Erreichbarkeit bereits in verschiedenen Gesamtarbeitsverträgen der Swisscom, Post, SBB und SBB Cargo verankern und ist daran, dieses auf alle Sozialpartnerschaften auszudehnen.

Gemeinsam und auf Augenhöhe mit den Arbeitgebern und Sozialpartnern muss es gelingen, die Stressfaktoren auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Nur so gelingt es, das Stresslevel zu minimieren.