Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer arbeiten Teilzeit

Immer mehr Schwei­ze­rin­nen und Schweizer arbeiten Teilzeit

Teilzeitarbeit liegt im Trend: Seit rund 30 Jahren nehmen die reduzierten Pensen stark zu in der Schweiz. Heute arbeitet mehr als ein Drittel der Erwerbstätigen Teilzeit. Diese Entwicklung birgt verschiedene Chancen, aber auch Herausforderungen für die Arbeitnehmenden und den Arbeitsmarkt.

Olivia Stuber

Was gilt als Teilzeitarbeit?

Während bei Teilzeitarbeit viele an Pensen bis maximal 60 Prozent denken, gilt gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) ein Beschäftigungsgrad von weniger als 90 Prozent bereits als Teilzeiterwerbstätigkeit. Teilzeitarbeit tritt dabei im klassischen Sinn der regelmässigen Teilzeitarbeit, aber auch in anderen Formen wie der Arbeit im Stundenlohn, auf Abruf, Jobsharing oder Mehrfachbeschäftigung auf.

Teilzeitarbeit in der Schweiz

Auch heute noch ist Teilzeitarbeit in der Schweiz mehrheitlich Frauensache. Gemäss BFS arbeiteten 57,9 Prozent der Frauen 2022 Teilzeit, während es bei den Männern nur 18,7 Prozent waren. Auch wenn die Frauen weiterhin den Grossteil der Teilzeitarbeit ausmachen, zeigt sich doch ein zunehmender Trend bei beiden Geschlechtern. Zwischen 1991 und 2010 ist die Teilzeitarbeit sowohl bei den Frauen als auch den Männern gestiegen.

Gemäss der aktuellen Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE, 2021) ist für Frauen der mit Abstand häufigste Grund für Teilzeitarbeit die Kinderbetreuung, gefolgt von anderen familiären oder persönlichen Verpflichtungen. Bei den Männern hingegen sind Aus- und Weiterbildungen der häufigste Grund.

Die Schweiz direkt hinter den Niederlanden

Im europäischen Vergleich liegt die Schweiz punkto Teilzeitarbeit direkt hinter der Rangführerin, den Niederlanden (Universität Zürich, 2022). Erklärungen für die Spitzenposition sehen Forschende vor allem in der schwierigen Vereinbarkeit von Familie und Beruf, welche den geringen öffentlichen Geldern für Familienpolitik, aber auch den gesellschaftlichen Rollenbildern sowie der ungleichen Verteilung von Haus- und Familienarbeit geschuldet ist. Weitere Gründe sind das hohe Lohnniveau sowie steuerliche Fehlanreize.

Junge wollen bessere Work-Life-Balance

Während die älteren Generationen noch stark dem traditionellen Familienbild folgen, besteht bei den jüngeren der Wunsch nach einer egalitäreren Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit (Universität Zürich, 2022). Für die Generationen Y und Z ist eine gute Work-Life-Balance wichtig.

Um deshalb nach dem Abgang der Babyboomer junge Fachkräfte anziehen zu können, müssen Unternehmen auf die Nachfrage nach mehr Teilzeitarbeit reagieren.

Chancen

Teilzeitarbeit bringt einige Vorteile. Arbeitgebende profitieren davon, dass sie gerade jüngere Fachkräfte einfacher rekrutieren und Mitarbeitende sowie deren Know-how länger im Unternehmen halten können (Universität Zürich, 2022). Hinzu kommt, dass Mitarbeitende in Teilzeitarbeit generell zufriedener und weniger gestresst sind, was sich positiv auf die Produktivität und die Fluktuationszahlen auswirkt.

Mehr Zufriedenheit und weniger Stress sind natürlich auch Vorteile für die Arbeitnehmenden. Teilzeitmitarbeitende zeigen aufgrund der verbesserten Work-Life-Balance ein höheres physisches und psychisches Wohlbefinden. In der Folge sind sie seltener krank (Universität Zürich, 2022). Insbesondere für Frauen ist Teilzeitarbeit in Führungspositionen oft entscheidend, um auf der Karriereleiter aufsteigen zu können. Teilzeitarbeit trägt daher auf höheren Stufen positiv zur Geschlechtergleichheit bei.

Herausforderungen

Nebst Chancen birgt die Teilzeitarbeit aber auch Herausforderungen. Für die Arbeitgebenden resultiert durch eine hohe Anzahl Teilzeitmitarbeitender ein höherer Koordinationsaufwand und die Führung ist mit Mehraufwand verbunden. Die Suche nach gemeinsamen Terminen und der Aufbau des Teamzusammenhalts zeigen sich erschwert (Universität Zürich, 2022).

Für die Arbeitnehmenden bestehen umso mehr Risiken, je niedriger das Pensum und der Lohnsektor. Nebst einem tieferen Einkommen sind Teilzeitarbeitende sozial schlechter abgesichert und erhalten im Alter tiefere Renten. Teilzeitarbeit kann dann auch zu unsicheren Arbeitsverhältnissen, geringeren Weiterbildungsmöglichkeiten und Karrierechancen führen und damit sogar zur Geschlechterungleichheit beitragen.

Teilzeitarbeit im Service Public

Teilzeitarbeit ist ein stark verankertes Arbeitsmodell im Service Public. Positive Beispiele sind das Modell des TopSharing bei der Post, bei dem Kaderpositionen auf zwei Personen verteilt und damit interessante Stellen für Teilzeitarbeitende zugänglich gemacht werden, oder die Möglichkeit bei der Bundesverwaltung, nach Geburt oder Adoption eines Kindes das Pensum um bis zu 20 Prozent zu reduzieren und anschliessend wieder aufstocken zu können. Ein weiteres Beispiel sind die neuen Altersteilzeitmodelle von Swisscom, die es Mitarbeitenden ab 60 Jahren ermöglichen, den Beschäftigungsgrad mit oder ohne Teilpensionierung zu reduzieren. Bei der SBB funktioniert Teilzeitarbeit generell gut bei Berufen mit Schichtarbeit, aber auch bei Supportstellen und in der Projektarbeit (Universität Zürich, 2022). Trotz Vorbildrolle bleibt die Planung der Teilzeitarbeit auch im Service Public anspruchsvoll und insbesondere auf Kaderstufe besteht Luft nach oben.

transfair setzt sich für Teilzeitarbeit ein

Teilzeitarbeit ist für die Schweiz wichtig und gewinnt weiter an Bedeutung. transfair engagiert sich für bessere Teilzeitangebote wie Jobsharing, insbesondere auch auf Kaderstufe, um den Bedürfnissen der Arbeitnehmenden nach einer besseren Work-Life-Balance gerecht zu werden. Teilzeitpensen dürfen dabei kein Hemmnis für Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten sein.

Wichtig ist auch, die unfreiwillige Teilzeitarbeit, beispielsweise aufgrund mangelhafter und teurer Kinderbetreuungsmöglichkeiten, in Angriff zu nehmen. Wenn Teilzeitarbeit nicht mehr nur Frauensache ist, werden nämlich mehr und nicht weniger Fachkräfte in den Arbeitsmarkt eintreten. Eine Win-win-Situation für alle.