Interview mit Rene Fuerst

Post & Logistik

Danke! - transfair verabschiedet sich von René Fürst

Von Oktober 2012 bis April 2022 hat René Fürst als Branchenleiter die Entwicklungen in der Branche Post/Logistik massgeblich mitgeprägt. Nun ist er in den wohlverdienten Ruhestand getreten. Er blickt zurück auf eine intensive, von grossen Veränderungen gezeichnete Zeit.

Lea Lüthy
René Furrer blickt in die Zukunft

transfair hat René Fürst zum Gespräch getroffen, um gemeinsam mit ihm die vergangenen Jahre Revue passieren zu lassen und darüber zu sinnieren, was die Zukunft für die Branche Post/Logistik bringen wird.

Lieber René, du hast für die Branche einen enorm grossen Einsatz geleistet und warst immer aktiv. Nun hast du plötzlich jede Menge Freizeit. Wie geht es dir damit?

Es war eine intensive Zeit bei transfair. Mein Kalender war immer vollgepackt mit Verhandlungen und der Lösung von Problemstellungen, nun fallen alle diese Verpflichtungen weg. Das ist eine grosse Umstellung. Doch langweilig wird es mir nicht. Ich komme gerade zurück aus der Toskana, wo ich die 60-köpfige, sehr erfolgreiche Schweizer Delegation an den Strassenlauf-Europameisterschaften geleitet habe. Mit Fahnen, Glocken und Juchzern waren unser Auftritt und die Stimmung unverkennbar (lacht).

Werfen wir einen Blick zurück. Wie hat sich die Welt der Branche in den letzten zehn Jahren verändert?

Die Veränderung war enorm. Als ich die Stelle als Branchenleiter angetreten habe, haben wir für die ganze Branche drei Gesamtarbeitsverträge (GAV) verhandelt. Nun sind es 13! Dadurch ist der Aufwand enorm gestiegen. Und die Post hat sich in ihrer Struktur stark gewandelt. Sie ist einiges komplexer geworden. Es wurde viel in die Automatisierung, die Infrastruktur und die Technik investiert. Die Digitalisierung und die Abnahme der Briefpost spielten natürlich eine tragende Rolle. Abläufe wurden optimiert und Zustelltouren zusammengelegt. Der Zeit- und Leistungsdruck, der auf den Schultern der Mitarbeitenden lastet, ist dadurch deutlich grösser geworden. In den Filialen von PostNetz haben die Einzahlungen und damit die Kundenfrequenz drastisch abgenommen. Das führte zu einem starken Abbau der Filialen und Öffnungszeiten. Statt Poststellen gibt es nun Agenturen – ohne spezialisiertes Postpersonal. Das hat nicht nur Auswirkungen auf das Personal, sondern auch auf den Service Public. Zustellungsanbieter wie Swiss Post Solution oder Presto spürten die Verlagerung von Print zu online genauso drastisch. In einem bereits sehr kompetitiven Markt wurden dadurch die Bedingungen für die Mitarbeitenden noch prekärer.

Welche Rolle hat transfair bei diesen Veränderungen gespielt?

transfair hat sich stets auf seine Kernaufgabe konzentriert: die Arbeitnehmenden als Menschen in ihrer Integrität zu schützen und für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen. Mir war als Branchenleiter stets bewusst, dass die Post sich weiterentwickeln muss, um ihr Bestehen sichern zu können. Nur so bleibt das Gros der Arbeitsplätze erhalten. Wir befinden uns in einer Entwicklung, in der digitale Endgeräte zunehmend unser (Arbeits-)Leben bestimmen. Solche Veränderungen kann man nicht aufhalten. Aber man kann sie mitgestalten und durch kritischen Dialog personalfreundlicher gestalten. Hier hat transfair gute Arbeit geleistet.

Gab es Schlüsselmomente, die dir in Erinnerung geblieben sind?

Vor einigen Jahren wurde der technische Zinssatz der Pensionskasse (PK) Post gesenkt. Um das Niveau der Renten zu sichern, hat transfair ein Ausgleichspaket von sage und schreibe 1,4 Milliarden Franken ausgehandelt. Dieser enorme Betrag kam direkt den PK-Sparkonten der Mitarbeitenden zugute. Da war ich schon ein bisschen stolz auf meine Arbeit (schmunzelt). Oder ein aktuelleres Beispiel: die Coronaprämien. Das war eine Idee von transfair. Auch hier haben die Mitarbeitenden dank dem Einsatz des Personalverbandes ein direkt spürbares Zeichen erhalten.

Und wie hast du während der vergangenen Jahre den sozialpartnerschaftlichen Austausch erlebt?

Dazu kann ich nur sagen: Basis für eine gute Sozialpartnerschaft ist Vertrauen. Die Mitglieder, die sich in Delegationen und in Vorständen einbringen, bilden mit ihrem breit abgestützten Wissen die Grundlage dafür. Das ist Gold wert. Klar, die Post verhandelt hart – knallhart. Aber sie setzt sich nicht zum Ziel, ihre Mitarbeitenden über den Tisch zu ziehen. Mir sassen am Tisch ehrliche, faire Verhandlungspartner gegenüber. Der konstruktive und lösungsorientierte Ansatz von transfair wurde sehr geschätzt – auf diese Weise habe ich mit meinen Delegationen für die Mitarbeitenden viel erwirken können.

„„Dank dem konstruktiven, lösungsorientierten Ansatz hat transfair viel für die Mitarbeitenden erreicht.

René Fürst, ehemaliger Branchenleiter Post/Logistik

Du standest in engem Austausch mit der Branchenkommission und vielen Mitgliedern. Was möchtest du ihnen mit auf den Weg geben?

Die eigene Zukunft mitzugestalten, ist grundlegend! Darum partizipiert, wo immer ihr könnt, und bringt eure Anliegen, Vorschläge und Bedenken ein. Denn wer nicht selbst mitsteuert, wird gesteuert.

Wie schätzt du die künftigen Brennpunkte ein und was wünschst du dir für die Zukunft der Branche?

Die Digitalisierung muss dem Menschen dienen und nicht umgekehrt. Daran muss sich die Branche orientieren. So können innovative Produkte entstehen, die wiederum Arbeitsplätze sichern und generieren. Wer im Service Public tätig ist, hat eine grosse Verantwortung gegenüber der Bevölkerung. Das stiftet Sinn. Ich wünsche mir, dass diese Sinnhaftigkeit nicht verloren geht und von Unternehmen wie dem Personal mehr gelebt und ins Bewusstsein geholt wird.

Und welche Pläne stehen bei dir nun privat auf dem Programm?

Im Moment stehen einfache Dinge im Vordergrund: im Wald spazieren gehen und die frische Luft geniessen, Zeit mit Familie und Freunden verbringen und natürlich das Laufen. Mein Herz schlägt für diesen Sport und selbst wenn ich es mittlerweile etwas gemütlicher angehen muss, bin ich doch auch mit Leib und Seele Sportfunktionär. Der Ehrgeiz ist mir nicht abhandengekommen (lacht).

Mit der GAV 2018 Verhandlungsdelegation
Mit der GAV Verhandlungsdelegation 2019

Herzlichen Dank, lieber René, dass du dir die Zeit genommen hast für dieses Gespräch. transfair und seine Mitglieder wünschen dir alles Gute für die Zukunft und geben dir noch einmal ein grosses Dankeschön mit auf den Weg für deinen grossartigen Einsatz.